BRCA1/2-Mutationen sind auch wichtig für die Therapieplanung beim Pankreaskarzinom.
Pathogene Mutationen in den Genen BRCA1 und BRCA2 gehen mit einem erhöhten Lebenszeit-Tumorrisiko einher – dies gilt auch für Pankreaskarzinome.1,2 Eine BRCA1/2-Mutation ist die am häufigsten vererbte Prädisposition für Pankreaskarzinome und tritt bei 5–7 % aller PatientInnen mit Pankreaskarzinom in der Keimbahn (Test im Blut) auf.1,2
Die Prävalenz von BRCA1/2-Keimbahnmutationen variiert je nach geographischer Region und ethnischer Gruppe. BRCA1/2-Keimbahnmutationen treten gehäuft bei Personen mit Krebserkrankungen in der Familie, besonders häufig bei aschkenasischen Juden, auf.2,3 BRCA1/2-Mutationen haben bei familiär auftretenden Pankreaskarzinomen eine Prävalenz von bis zu 17 %.4–6
Menschen mit einer BRCA1- und/oder BRCA2-Mutation erkranken im Laufe ihres Lebens eher an einem Pankreaskarzinom als Menschen ohne BRCA1/2-Mutation.4,7,8
Tab. 1: Erhöhtes Lebenszeit-Tumorrisiko bei Vorliegen einer BRCA1/2-Mutation5,7,8Der BRCA1/2-Mutationsstatus ist jedoch nicht nur für die Risikoabschätzung, sondern bei Erkrankten auch für die individuelle Therapieplanung relevant. Tumoren mit BRCA1/2-Keimbahnmutationen reagieren sensibler auf Platin-haltige Chemotherapien.5 Diese Sensitivität gegenüber Platin-haltigen Therapien konnte bei PatientInnen mit metastasiertem duktalen Pankreasadenokarzinom und BRCA1-, BRCA2- oder PALB2-Mutationen durch Real-World-Daten bestätigt werden. Unter anderem konnte bei PatientInnen mit Mutationen (n = 26) häufiger ein verbessertes Ansprechen in Form einer Verkleinerung des Tumors gezeigt werden gegenüber PatientInnen ohne Mutationen (n = 52). Die objektive Ansprechrate gemäß RECIST 1.1 war mit 58 % gegenüber 21 % mehr als doppelt so groß.9
Im Vergleich zu anderen soliden Tumoren, bei denen zielgerichtete und Immuntherapien einen Paradigmenwechsel ausgelöst haben, waren die therapeutischen Fortschritte beim Pankreaskarzinom bisher beschränkt. Für die Therapie des metastasierten Pankreaskarzinoms standen bisher nur Chemotherapien oder eine Kombination aus Erlotinib und Chemotherapie zur Verfügung. Der Therapieerfolg wurde jedoch durch Resistenzen und Toxizitäten limitiert.
PatientInnen mit metastasiertem Pankreaskarzinom und BRCA1/2-Keimbahnmutation kann jetzt erstmals eine zielgerichtete Therapie angeboten werden, wenn sie mindestens 16 Wochen keinen Progress unter Platin-haltiger Erstlinien-Chemotherapie erlitten haben. Die Tumorerkrankung dieser PatientInnen ist angreifbar durch einen Wirkstoff, der die DNA-Reparatur hemmt. Um diesen Wirkstoff einsetzen zu können, muss der Nachweis einer BRCA1/2-Mutation in der Keimbahn vorliegen. Damit die Therapie optimal geplant werden kann, sollte der BRCA1/2-Mutationsstatus so früh wie möglich im Krankheitsverlauf bekannt sein, spätestens jedoch bei der Erfüllung der Zulassungskriterien für diesen Wirkstoff.5
Die aktuellen Neuerungen der S3-Leitlinie betreffen unter anderem die (Erhaltungs-)Therapie bei metastasiertem Pankreaskarzinom und vorliegender BRCA1/2-Keimbahnmutation.10
Erkrankte mit metastasiertem Pankreaskarzinom, die grundsätzlich für eine Platin-basierte Therapie geeignet sind, sollten auf eine BRCA1/2-Keimbahnmutation getestet werden. Die Therapie dieser Personen kann so hinsichtlich der Wahl der Chemotherapie und Erhaltungstherapie frühzeitig geplant werden.10
Abb. 1: Empfehlung für einen BRCA1/2-Keimbahntest bei Erkrankten mit metastasiertem Pankreaskarzinom und grundsätzlicher Eignung für eine Platin-basierte Chemotherapie. Tabelle modifiziert nach S3-Leitlinie zum exokrinen Pankreaskarzinom10Bei Nachweis einer solchen BRCA1/2-Keimbahnmutation sollte dann eine Platin-basierte Erstlinientherapie bei geeigneten Personen gewählt werden.10
Abb. 2: Empfehlung für eine Platin-basierte Erstlinientherapie bei Nachweis einer BRCA1/2-Keimbahnmutation. Tabelle modifiziert nach S3-Leitlinie zum exokrinen Pankreaskarzinom10Auch die Bedeutung von Wirkstoffen, die die DNA-Reparatur hemmen und in der Erhaltungstherapie beim metastasierten Pankreaskarzinom eingesetzt werden können, wird im Zusammenhang mit einer BRCA1/2-Keimbahnmutation mit einem starken Konsens in der aktuellen S3-Leitlinie hervorgehoben.10
Abb. 3: Einsatz von Wirkstoffen, die die DNA-Reparatur hemmen, nach Platin-basierter Vortherapie beim metastasierten Pankreaskarzinom mit gBRCA1/2m. Tabelle modifiziert nach S3-Leitlinie zum exokrinen Pankreaskarzinom.10 [gBRCA1/2m: BRCA1/2-Keimbahnmutation]Grundsätzlich empfiehlt die S3-Leitlinie auch Individuen ohne manifeste oder symptomatische Krebserkrankung die Durchführung einer genetischen Untersuchung, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
Abb. 4: S3-Leitlinien-Empfehlung zur Durchführung einer genetischen Untersuchung. Abbildung modifiziert nach S3-Leitlinie zum exokrinen Pankreaskarzinom.10Die NCCN-Leitlinien empfehlen den Keimbahntest bei allen PatientInnen mit bestätigtem Pankreaskarzinom.10 Eine genetische Beratung sollte allen PatientInnen mit einer Keimbahntestung angeboten werden, insbesondere denen, die positiv auf eine pathogene Mutation getestet wurden oder eine positive Familienanamnese für Krebs, insbesondere für Pankreaskarzinome, aufweisen.11
Die deutschen und europäischen Leitlinien wurden seit 2018 bzw. 2015 nicht mehr aktualisiert.12,13
Laut der ASCO Provisional Clinical Opinion (PCO) sollte ein Keimbahntest möglichst früh im Krankheitsverlauf von an Pankreaskarzinom erkrankten Personen erfolgen. Die Option auf eine Testung auf genetische Dispositionen sollte nicht nur mit Erkrankten mit positiver Familienanamnese, sondern auch mit Erkrankten ohne positive Familienanamnese besprochen werden.13